FOTO: ALINA FRIESKE, TILE1 © ALINA FRIESKE

#photography2050:
Alina Frieske

In unserer Serie #photography2050 entwerfen Kurator*innen, Künstler*innen und Autor*innen ihre persönliche Zukunftsvision der Fotografie: Wir schreiben das Jahr 2050 – wie relevant wird das Medium Fotografie dann noch sein? Wie sieht das Foto der Zukunft aus? VON MAGNUS PÖLCHER

3. März 2021

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Bei dem Gedanken an das Foto der Zukunft wird mir bewusst, wie sehr Fotografie in der heutigen Zeit in Prozesse der automatisierten Bildauswertung eingebunden ist.

Welche Bilder werden jedoch dann morgen noch relevant sein, welche verlieren ihre Bedeutung?

Eine Vielzahl von Technologien und Algorithmen für die Bildanalyse haben die Fotografie heutzutage unterwandert, um ihre Bildinhalte auszuwerten, sie anschließend mit Bereichen wie Konsumenten*innenforschung zu verknüpfen und unsere individuellen Interessen zu prognostizieren. Wir sehen, was der Algorithmus für unsere individuell analysierten Sehgewohnheiten errechnet hat.

Ein Foto unbenannt oder inhaltlich unerschlossen zu lassen, würde zugleich bedeuten es den Auswertungszyklen zu entreißen. Hat ein Foto erst einmal einen Bildschirm gestreift, ist eingefügt in Systeme der Bildanalyse und algorithmischen Beurteilung, lässt sich schnell die Wahrscheinlichkeit berechnen, wer oder was darauf abgebildet ist. Wiederum geteilt in seine einzelnen Fragmente wird das Bild in vorgefertigte Rubriken und Filter eingeordnet. Was bleibt jedoch dann in Zukunft vom Foto übrig? Wie oft lässt es sich zerteilen, bis der Inhalt nicht mehr erkennbar ist?

Alina Frieske, Abglanz 03, 2019 © Alina Frieske

Der jeweils festgehaltene, fotografische Moment bleibt nicht isoliert. Er wird verglichen mit bereits verfügbaren Fotos, auf Ähnlichkeiten und Unterschiede untersucht, die Inhalte anschließend abstrahiert, verallgemeinert und nach vorgegebenen Kategorien in das visuelle Kollektiv von anonymisierten Bildern eingeordnet. Eingespeist in dieses Konglomerat von Bilddaten, werden digitale Netzwerke mit beinahe neuronalen Fähigkeiten aktiviert, um fotorealistische Bilder anhand der immensen Bilddatensammlung völlig neu zu erzeugen. Die Umrisse haben sich aufgelöst, das Mosaik kann ständig neu zusammengesetzt werden. Die Daten werden konstant aktualisiert, sich fremde Bildinhalte zusammengebracht und ins Unkenntliche miteinander verwoben, bis sie über die Ränder der Fotografie hinauswachsen.

Wo beginnt ein Bild dann und wo endet es, wenn seine visuellen Konturen permanent gesprengt werden, aufgelöst werden in der Anhäufung und dem Abgleich mit den vermeintlichen fotografischen Doppelgängern?

Zwischen Imagination und Dokumentation war das Foto schon immer voller paradoxer Eigenschaften. So wird die Fotografie vermutlich weiterhin Trennlinien verwischen, sich Kategorien entziehen, ihr Potenzial subversiv entfalten, um neue Ansichten und Denkweisen außerhalb automatisierter Rahmenbedingungen abzubilden.

Alina Frieske (*1994) beschäftigt sich mit zusammengesetzten Bildern und studiert die Schnittstelle zwischen Malerei und Fotografie. Mit einem Interesse für Bildmaterial aus dem Internet und dessen Zirkulation, setzt sie sich mit Prozessen der Meinungsbildung und Identifizierung auseinander. Sie war Teil des «Ones to Watch 2020» des British Journal of Photography und stellte ihre Arbeiten unter anderen auf dem Festival Vevey Images in der Schweiz und dem Fotografie Festival Hyères in Frankereich aus. Sie lebt und arbeitet in Berlin.


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