David Claerbout, Travel 1996-2013, Courtesy the artist and galleries Esther Schipper, Berlin; Sean Kelly, New York 

Thomas Albdorf

In unserer Serie #photography2050 entwerfen Kurator*innen, Künstler*innen und Autor*innen ihre persönliche Zukunftsvision der Fotografie: Wir schreiben das Jahr 2050 – wie relevant wird das Medium Fotografie dann noch sein? Wie sieht das Foto der Zukunft aus? VON MAGNUS PÖLCHER

27. November 2018

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»Obwohl das Aufkommen der Digitalkamera und der digitalen Postproduktion die Fotografie in den letzten Jahrzehnten eingehend verändert hat, ist die Mehrheit unserer herkömmlichen Kameras noch relativ eng mit der Funktionsweise der Fotoausrüstung der letzten rund 180 Jahre verbunden: Ein optischer Apparat projiziert mittels eines Objektivs ein Bild auf eine Oberfläche, die eine Szenerie aufzeichnet. Es ist also, trotz aller Einflussnahme durch Blende, Belichtung, spezifische Eigenschaften des Filmmaterials, softwarespezifische Einstellungen der Kamera etc., immer noch eine gewisse indexikalische Verbindung zum Abgebildeten da.

In den letzten Jahren jedoch bestimmen immer häufiger Softwareprozesse, die nur mehr rudimentär bzw. zu Beginn von Menschen beeinflusst werden, das Erscheinungsbild der Fotografien, die wir sehen und selbst erzeugen. Fotorealistische 3D-Renderings schleichen sich in Bilder und Filme ein, wo sie entweder fotografische Bilder begleiten oder ersetzen. Neuronale Netzwerke bzw. deren selbstlernende Algorithmen erstellen aus ihrem Wissen über Milliarden von Menschen erstellten Fotografien selbst Bilder, die auf den ersten Blick wie Fotografien erscheinen, jedoch komplett artifiziell sind.

Genannte neuronale Netzwerke werden konstant effizienter und erstellen immer bessere Bilder. Es wird, vor allem für die individuelle Betrachterin / den individuellen Betrachter, zusehends schwieriger werden, zu erkennen, ob wir ein Bild oder Video sehen, dass irgendwann einmal mittels eines fotografischen Apparats aufgenommen wurde, oder komplett von Software erschaffen. Unsere Realität, die von den Bildern, die wir konsumieren, bestimmt wird, wird sich aus Vergangenem nähren, das konstant recycelt wird.

Wenn diese Bilder also letztlich ihren indexikalen Bezug verlieren, wenn der Repräsentationsmodus der Fotografie endgültig aufgegeben wird und ideologisch beeinflusste Software quasi alle Bilder erstellt, werden wir immer noch in der Lage sein, überhaupt noch Neues zu sehen, Neues entdecken zu können?«

Thomas Albdorf ist Fotograf und lebt und arbeitet in Wien. Er wurde 2014 in den »Artists to Watch« des British Journal of Photography inkludiert, gewann 2016 den UNSEEN Amsterdam Talent Award, und hatte 2018 seine erste museale Einzelausstellung im FOAM Amsterdam.


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